Frühintervention

Man weiß aus wissenschaftlichen Untersuchungen, dass dem Ausbruch einer (schweren) psychischen Erkrankung (z.B. psychotische, bipolare oder depressive Erkrankung) im Regelfall mehrjährige Phasen mit unterschwelligen oder wenig spezifischen klinischen Krankheitszeichen vorangehen. Die Frühintervention zielt auf die Verzögerung bzw. Vermeidung des Auftretens von psychischen Erkrankungen bzw. auf eine frühzeitige positive Beeinflussung des Verlaufs.

In der Frühintervention unterscheidet man zwei Strategien:

Frühintervention bei Menschen mit erhöhtem Risiko für erste Erkrankungsphasen

Ziel hierbei ist, die Betroffenen schon vor Auftreten einer ersten Erkrankungsepisode zu entdecken und die Übergangsraten in eine erste Episode einer Erkrankung mit hohem Risiko für einen schweren und anhaltenden Verlauf zu reduzieren.

Frühintervention umfasst präventive Behandlungsangebote mit den Zielen der Besserung der bereits vorhandenen (Risiko-) Symptomatik sowie der Vermeidung von sozialen Einschränkungen. Neben einer regelmäßigen Kontrolle des Verlaufs und anderen Behandlungsansätzen kommen hierbei auch psychosoziale Therapien zum Tragen.​​​​

Frühintervention bei Menschen mit ersten Episoden von (schweren) psychischen Erkrankungen

Ziel hierbei ist, frühzeitig zu behandeln und die Dauer der unbehandelten Erkrankungsphase zu reduzieren und damit schwere und langanhaltende Erkrankungsverläufe zu verhindern.

Eine frühzeitige Behandlung kann den Erkrankungsverlauf günstig beeinflussen. Umgekehrt kann ein später Behandlungsbeginn zu einem ungünstigen Krankheitsverlauf führen. Frühintervention bei Menschen mit ersten Episoden von Erkrankungen mit erhöhtem Risiko für schwere Verläufe zielt deshalb auf eine frühe Unterstützung und Behandlung, u.a. durch psychosoziale Therapien.

Hintergrund und Empfehlungen der Leitlinie

Wo findet Frühintervention statt und wie erhält man Zugang?

Frühintervention erfolgt unter anderem in:

  • Früherkennungsnetzwerke erfordern die Kooperation von verschiedenen Institutionen, wie z.B. psychiatrischen Kliniken, niedergelassenen Fachärztinnen und -ärzten sowie Hausärztinnen und -ärzten, Behörden, Institutionen im Bildungs- und Ausbildungswesen, sowie nach Möglichkeit die Entwicklung von aufsuchenden Diensten. 
  • Früherkennungs- und Therapiezentren betreiben gezielte Öffentlichkeitsarbeit und ermöglichen verschiedene ambulante und auch aufsuchende Behandlungsangebote. Solche Zentren sollten ein multiprofessionelles Team umfassen. In den Früherkennungs- und Therapiezentren wird auch den Bereichen von Bildung und Beruf hohe Bedeutung beigemessen, um den betroffenen, zumeist jungen Menschen frühzeitig Hilfe und Unterstützung hinsichtlich einer beruflichen Perspektive zu ermöglichen. 

In Deutschland gibt es positive Erfahrungen mit der Früherkennung und Frühintervention (schwerer) psychischer Erkrankungen. Eine flächendeckende Versorgung mit koordinierter, auf ersterkrankte Menschen oder Risikopersonen spezialisierter, multiprofessioneller, aufsuchender Behandlung gibt es allerdings noch nicht. Erfahrungen gibt es z.B.

  • in einigen Früherkennungszentren unter Einbindung von niedergelassenen Fachärztinnen und -ärzten sowie Hausärztinnen und -ärzten, sowie weiterer psychosozialer Hilfsangebote (z.B. Fritz am Urban, Berlin)
  • durch die Eröffnung von Schwerpunktstationen für junge Erwachsene mit Psychosen und
  • im Rahmen der integrierten Versorgung. 

Statement der Leitlinie
Bei Menschen mit hohem Risiko für Psychosen und andere schwere psychische Erkrankungen und bei Menschen mit ersten Episoden psychotischer oder anderer schwerer psychischer Erkrankungen sollten Angebote zur Früherkennung und Frühintervention stärker in den Fokus rücken und flächendeckend zur Verfügung stehen. Ziel sollte die Verhinderung von Krankheitsepisoden und von schweren und chronischen Verläufen sein.


© Universität Leipzig. Medizinische Fakultät Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP)