Gemeindepsychiatrische Behandlungsansätze

Einer der Grundsätze psychiatrischer Versorgung ist die Gemeindenähe. Behandlungs- und Versorgungsangebote sollen dort angeboten werden, wo die Menschen mit ihren Familien und Angehörigen leben. Gemeindenahe Behandlung kann beispielsweise auch die Behandlung zu Hause bei den Betroffenen bedeuten. Ein weiterer, eng damit verknüpfter Grundsatz ist die Behandlung „ambulant vor stationär“. Das erfordert eine ausreichende Ausgestaltung der ambulanten Angebote, die eine zuverlässige Behandlung auch schwer psychisch kranker Menschen ermöglicht. Angestrebt wird zudem eine lückenlose Behandlung ohne wiederholte Abbrüche bzw. Wechsel der Behandler. Eine Behandlung sollte sich zu jeder Zeit an den Bedürfnissen und Präferenzen der Betroffenen und ihrer Angehörigen orientieren.

Hintergrund und Empfehlungen der Leitlinie

Multiprofessionelle gemeindepsychiatrische und teambasierte Behandlung

Was bedeutet multiprofessionelle gemeindepsychiatrische und teambasierte Behandlung?

Eine multiprofessionelle gemeindepsychiatrische und teambasierte Behandlung ermöglicht gemeindenahe Komplexangebote für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen, da Fachleute aus verschiedenen Bereichen in einem Team (z.B. Medizin, Ergotherapie, Fachpflege, Psychologie, Sozialarbeit) zusammenarbeiten. Umsetzbar sind alle erforderlichen Bausteine einer psychiatrischen Behandlung, einschließlich der notwendigen Untersuchungen.

Leistungen:

Die Behandlung durch diese Teams erfolgt über alle Krankheitsphasen hinweg. Mehrheitlich finden die Behandlungen in der Einrichtung statt; Hausbesuche sind möglich. Stellt es sich heraus, dass über das Angebot dieser Einrichtung hinausgehende Unterstützungsleistungen erforderlich sind, helfen die Mitarbeiter bei der Suche nach entsprechenden Möglichkeiten (z.B. Tagestätte, unterstütztes Wohnen, unterstützte Beschäftigung).


Kann die multiprofessionelle gemeindepsychiatrische und teambasierte Behandlung empfohlen werden?

Die vorliegenden Studien zeigen, dass eine solche Behandlung gegenüber einer Behandlung durch einzelne Behandler ohne ein Team hinsichtlich einer Verringerung stationärer Behandlungen und hinsichtlich einer höheren Behandlungszufriedenheit von Vorteil ist.

Empfehlung der Leitlinie (starke Empfehlungsstärke):
In allen Versorgungsregionen soll eine gemeindepsychiatrische, teambasierte und multiprofessionelle Behandlung zur Versorgung von Menschen mit schwerer psychischer Erkrankung zur Verfügung stehen.


Wo findet multiprofessionelle gemeindepsychiatrische und teambasierte Behandlung statt und wie erhält man Zugang?

  • Psychiatrische Institutsambulanzen (PIAs): Angeboten werden verschiedene Untersuchungen sowie das gesamte Spektrum psychiatrischer, psychotherapeutischer und psychosozialer Therapien einschließlich medikamentöser Therapie. Eine Überweisung an eine Institutsambulanz erfolgt über niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. Die Kosten tragen die Krankenkassen.
  • Niedergelassene Fachärztinnen und -ärzte für Psychiatrie und Psychotherapie bzw. Nervenärztinnen und -ärzte, hier insbesondere sozialpsychiatrische Schwerpunktpraxen.
  • Sozialpsychiatrische Dienste und zum Teil Gesundheitsämter können einzelne Elemente einer solchen Behandlung anbieten. 

Aufsuchende multiprofessionelle gemeindepsychiatrische und teambasierte Behandlung

Was bedeutet aufsuchende multiprofessionelle gemeindepsychiatrische teambasierte Behandlung?

Die Betroffenen werden durch spezielle multiprofessionelle Teams in ihrer häuslichen Umgebung behandelt. Sie stellt eine Alternative oder Ergänzung zur Krankenhausbehandlung dar. Die Häufigkeit der Hausbesuche und die geleistete Unterstützung vor Ort richten sich nach den Bedürfnissen und Wünschen der Betroffenen und schließen eine medikamentöse Behandlung ein. 

  • EineAkutbehandlung im häuslichen Umfeld wird über die Dauer einer akuten Krankheitsphase bzw. psychischen Krise angeboten.
  • Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, die Betroffenen über einen längeren Zeitraum zu begleiten. Dann ist das Leistungsangebot breiter; neben einer medikamentösen Behandlung werden beispielsweise Hilfestellungen bei Aktivitäten des täglichen Lebens oder in den Bereichen Arbeit und Wohnen gegeben.

Kann die aufsuchende multiprofessionelle gemeindepsychiatrische und teambasierte Behandlung empfohlen werden?

Die Studienergebnisse zeigen einheitlich, dass die aufsuchende multiprofessionelle gemeindepsychiatrische und teambasierte Behandlung gegenüber einer herkömmlichen stationären Behandlung mindestens gleichwertig ist:

  • gleichwertige Erfolge hinsichtlich Allgemeinzustand und psychischer Gesundheit
  • Reduktion stationärer Behandlungszeiten und des Risikos stationärer Wiederaufnahmen
  • Verbesserung der Zufriedenheit der Patienten und ihrer Angehörigen
  • Verringerung des Belastungserlebens der Angehörigen

Empfehlung der Leitlinie (starke Empfehlungsstärke): 
Menschen mit schweren psychischen Störungen in akuten Krankheitsphasen sollen die Möglichkeit haben, von mobilen multiprofessionellen Teams definierter Versorgungsregionen in ihrem gewohnten Lebensumfeld behandelt zu werden.

Achtung: Eine mobile Akutbehandlung im häuslichen Umfeld ist nicht in jedem Fall geeignet, evtl. sollte der stationären Versorgung Vorrang gegeben werden. Es wird empfohlen gemeinsam mit Behandlern, Patienten und Angehörigen über die möglichen Behandlungsalternativen zu beraten und zu entscheiden. In einigen begründeten Fällen entscheidet der Facharzt über das weitere Vorgehen, z.B. bei erheblicher Eigen- oder Fremdgefährdung oder lebensbedrohlichen Notfällen, die einer dringenden stationären Behandlung bedürfen.

Empfehlung der Leitlinie (starke Empfehlungsstärke):
Menschen mit chronischen und schweren psychischen Störungen sollen die Möglichkeit haben, auch über einen längeren Zeitraum und über akute Krankheitsphasen hinausgehend, nachgehend aufsuchend in ihrem gewohnten Lebensumfeld behandelt zu werden.


Wo findet eine aufsuchende multiprofessionelle gemeindepsychiatrische und teambasierte Behandlung statt und wie erhält man Zugang?

  • Aktuell keine flächendeckende Umsetzung von aufsuchender Behandlung durch multiprofessionelle gemeindepsychiatrische Teams in Deutschland
  • Angebote durch Psychiatrische Institutsambulanzen oder Sozialpsychiatrische Dienste möglich
  • Möglichkeit im Rahmen der Integrierten Versorgung (§ 140 SGB V) oder 
  • im Rahmen der Stationsäquivalenten Behandlung als einer Krankenhausleistung
  • Es wird empfohlen, bei der jeweiligen Krankenkasse und den Behandlern vor Ort nachzufragen.

Empfehlung der Leitlinie (Expertenkonsens):
Wesentliche Aufgabe der multiprofessionellen gemeindepsychiatrischen Teams soll neben der bedarfsorientierten und flexiblen Behandlung die gemeinsame Verantwortung sowohl für die gesundheitliche als auch die psychosoziale Versorgung der Betroffenen sein und so die Behandlungskontinuität sichern.
Ziel soll eine Behandlung sein, die sich am individuellen Bedarf der Betroffenen und an der Intensität der erforderlichen Interventionen zu jedem Zeitpunkt des Behandlungsprozesses orientiert. Im Sinne der Forderung nach einer Behandlung „ambulant vor stationär“ sollen, wo möglich, stationäre Behandlungen vermieden werden.

Bedürfnisangepasster Ansatz und Offener Dialog

Eine besondere Form der multiprofessionellen Behandlung sind der bedürfnisangepasste Ansatz und Offene Dialog. Beide Behandlungsmodelle beschreiben in besonderer Weise, wie in schweren Krisen durch den Einbezug des persönlichen Netzwerkes hilfreich und unterstützend miteinander umgegangen werden kann.

Zentrale Elemente:

  • sofortige und flexible Hilfe
  • rascher Einbezug der Familie und weiterer Bezugspersonen
  • alle Beteiligten treffen sich möglichst zuhause bei den Patientinnen und Patienten zu sogenannten Therapieversammlungen
  • alle Beteiligten werden gehört
  • große Offenheit gegenüber allen Meinungen
  • Begleitung durch ein multiprofessionelles therapeutisches Team
  • möglichst niedrig dosierte medikamentöse Therapie

In Deutschland konnten aufgrund der Besonderheiten der Finanzierung und Organisation stationärer und ambulanter psychiatrischer Versorgung bisher nur einzelne Bausteine von bedürfnisangepasster Behandlung und Offenem Dialog umgesetzt werden. Dies erfolgt insbesondere in Modellen Integrierter Versorgung oder in Kliniken mit regionalem Budget.

Ambulante psychiatrische Pflege

Pflegefachpersonen begleiten psychisch kranke Menschen im Rahmen der multiprofessionellen Behandlung sowohl im stationären Bereich als auch in gemeindenahen und aufsuchenden Bereichen.

Ziele:

  • Unterstützung und Erreichung von bestmöglichen Behandlungs- und Betreuungsergebnissen
  • Gemeinsame Klärung von Behandlungszielen
  • Verbesserung der Lebensqualität in allen Phasen des Lebens
  • Unterstützung von Recovery
  • Verkürzung oder Verhinderung von Krankenhausbehandlungen durch Behandlungseinsichtsförderung und Beziehungsaufbau, Anleitung zur Alltagsbewältigung und Unterstützung in Krisensituationen

Statement der Leitlinie
Ambulante Psychiatrische Pflege (APP) ist geeignet, den breiten und oft wechselnden Hilfebedarfen von Menschen mit schweren psychischen Störungen und ihren Angehörigen im direkten Lebensumfeld mit einer großen Vielfalt wirksamer Interventionen zu begegnen. APP soll als Hilfe in Krisenzeiten, als mittel- und längerfristige Unterstützung bei Funktionseinschränkungen, zur Herstellung/Förderung von Selbst- und Krankheitsmanagement sowie zur Förderung individueller Recovery-Prozesse verordnet werden. Da der Hilfebedarf nicht von der Diagnose abhängt, darf APP sich nicht auf definierte Diagnosegruppen beschränken.

Die ambulante psychiatrische Pflege (APP) ist ärztlich verordnungspflichtig und wird von der Krankenkasse getragen. Eine entsprechende Verordnung ist an bestimmte Diagnosen und Fähigkeitsstörungen gebunden. Allerdings wird APP in Deutschland nicht flächendeckend vorgehalten. Es wird empfohlen, sich bei der behandelnden Ärztin, dem behandelnden Arzt oder bei der Krankenkasse nach Möglichkeiten zu erkundigen.

Case Management

Was bedeutet Case Management?

Im Bereich des Case Managements (CM) unterscheidet man viele verschiedene Formen. Wichtige gemeinsame Aufgaben sind:

  • Unterstützung zur Orientierung in der Vielzahl von Behandlungs- und Versorgungsangeboten
  • Unterstützung in der Inanspruchnahme der Behandlungs- und Versorgungsleistungen 
  • Sicherstellung einer individuell zugeschnittenen Behandlung und Aufrechterhaltung dieser

Bedeutender Unterschied zu den oben beschriebenen multiprofessionellen teambasierten Ansätzen ist die alleinige Verantwortung des Case Managers für die von ihm begleiteten Patientinnen und Patienten.


Kann Case Management empfohlen werden?

Die Studienlage zu CM ist sehr uneinheitlich. Erschwert wird ein klares Bild durch die vielen verschiedenen Formen von CM.

Empfehlung der Leitlinie (Mittlere Empfehlungsstärke):
Case Management kann nicht uneingeschränkt für die Routineversorgung aller Patienten empfohlen werden, sollte jedoch nach Prüfung der entsprechenden Voraussetzungen (z.B. geringe Versorgungsdichte von gemeindepsychiatrischen Ansätzen in einer Region und/oder hohe Inanspruchnahme von stationären Behandlungen) gezielt zur Anwendung kommen.


Wo findet Case Management statt und wie erhält man Zugang?

  • Case Management ist nicht einheitlich definiert.
  • Case Management durch eine koordinierende Bezugsperson im Rahmen des personenzentrierten Ansatzes bietet in Kombination mit dem Integrierten Behandlungs- und Rehabilitationsplan und der Hilfeplankonferenz die Möglichkeit, notwendige Hilfen flexibel sowie personen- und bedarfsorientiert auszurichten. In der Praxis finden sich vergleichbare Hilfen auch unter anderer Bezeichnung (z.B. therapeutische Hauptbezugsperson).
  • Ambulante Soziotherapie nach § 37a SGB V soll die Koordination der verschiedenen Versorgungsleistungen unterstützen und die Betroffenen motivieren, bestehende Unterstützungsangebote selbständig in Anspruch zu nehmen. 

Wegweiser durch das ambulante Behandlungssystem

An der Behandlung von Menschen mit (schwerer) psychischer Erkrankung sind viele Fach- und Berufsgruppen bzw. Einrichtungen und Anlaufstellen beteiligt. Eine Übersicht über ambulante Behandlungsangebote für Menschen mit schweren psychischen Störungen gibt die folgende Tabelle.

Ambulante Behandlungs- und Versorgungsleistungen

Hausärztinnen und -ärzte, Praktische Ärztinnen und Ärzte
Fachärztinnen und -ärzte für
Allgemeinmedizin

Leistungen:

  • sind an Diagnostik und Behandlung beteiligt
  • können u.a. durch Überweisungen für eine hilfreiche Weichenstellung im Versorgungssystem sorgen
  • können bis zu 3 Stunden Soziotherapie sowie häusliche und psychiatrische Krankenpflege verordnen

Niedergelassene Fachärztinnen und -ärzte für Psychiatrie und Psychotherapie bzw.
Nervenheilkunde oder für Psychosomatische
Medizin und
Psychotherapie

Leistungen:

  • Diagnostik, Beratung, Pharmakotherapie, Psychotherapie u.a.
  • Krisenintervention
  • Beteiligung bei Erstellung von Hilfeplänen
  • Möglichkeit zur Verordnung von Ergotherapie, ambulanter Soziotherapie und häuslicher und psychiatrischer Krankenpflege
  • Erstellung gutachterlicher Stellungnahmen sowie ggfs. notwendige Zuweisungen zu Psychotherapie, Psychiatrischer Institutsambulanz, Krankenhausbehandlung oder Rehabilitationsleistung
  • Sozialpsychiatrische Schwerpunktpraxen sind oft so ausgelegt, dass sie Komplexleistungen und möglicherweise aufsuchende Behandlungen anbieten bzw. koordinieren können.
Psychiatrische Institutsambulanzen

sind an psychiatrischen Kliniken, an psychiatrisch-psychotherapeutischen Abteilungen von Allgemeinkrankenhäusern oder Universitätskliniken sowie an Zentren für Psychiatrie angegliedert und durch die Tätigkeit multiprofessioneller Teams geprägt.

Leistungen:

  • umfangreiche Diagnostik
  • gesamtes Spektrum psychiatrischer, psychotherapeutischer und psychosozialer Therapien einschließlich der medikamentösen Behandlung und Psychoedukation
  • Kooperationen mit verschiedenen ambulanten Leistungsanbietern
Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten

Leistungen:

  • Diagnostik
  • Psychotherapie im Einzel- und Gruppensetting
  • Psychoedukation
  • Krisenintervention
  • Neue Psychotherapie-Richtlinie führt zu einer Flexibilisierung des Angebotes (Psychotherapeutische Sprechstunde, Akutbehandlung, reduzierte Bewilligungsschritte) und Verkürzung von Wartezeiten
Häusliche Pflege
  • Häusliche Krankenpflege (HKP) umfasst die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung. Für schwer psychisch kranke Menschen ist oft die Hilfe bei der Medikamentengabe angezeigt.
  • Häusliche Psychiatrische Krankenpflege (pHKP) gehört zur häuslichen Krankenpflege, ist ärztlich verordnungspflichtig und wird von der Krankenkasse getragen. PHKP wird in Deutschland bisher nicht flächendeckend vorgehalten.
  • Häusliche Pflege nach SGB XI umfasst Leistungen der Grundpflege (Körperpflege, Ernährung, Mobilität, hauswirtschaftliche Versorgung), für welche in aller Regel das Vorliegen einer Pflegestufe Voraussetzung ist. (► Pflegestärkungsgesetze)
Soziotherapie

ist eine Leistung der Krankenkassen.

Leistungen:

  • Anleitung der Betroffenen zur selbstständigen Nutzung ärztlich verordneter, psychosozialer und therapeutischer Angebote
  • Unterstützung der Koordinierung der verschiedenen Behandlungs- und Versorgungsleistungen
  • Hilfen in Krisensituationen
  • Unterstützung beim Aufbau und Erhalt von Tagesstrukturen
  • Förderung sozialer Kompetenzen und Arbeit im sozialen Umfeld
Ergotherapie

ist als Leistung der Krankenkassen von allen niedergelassenen Ärzten verordnungsfähig. Ambulante Ergotherapie wird in niedergelassenen Praxen angeboten und kann auch in das Angebot von Tagesstätten oder Gemeindepsychiatrischen Zentren eingebunden sein.

Sozialpsychiatrische Dienste (SpDi)

Organisatorisch sind Sozialpsychiatrische Dienste überwiegend an die kommunalen bzw. staatlichen Gesundheitsämter angegliedert.

Leistungen:

  • Beratung
  • sozialpsychiatrische Grundversorgung (z.B. Förderung sozialer Kompetenzen, Hilfe im Bereich Wohnen, Krisenintervention, soziale Gruppenangebote, Unterstützung bezogen auf sozialrechtliche Ansprüche)
  • Soziotherapie
  • Maßnahmen zum Erhalt von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen
Integrierte Versorgung (IV)

ist ein Versorgungsmodell, in dem sich verschiedene regionale Leistungsanbieter (z.B. Kliniken, Ärztinnen und Ärzte, ambulante Hilfen) vernetzen und eine koordinierte Hilfe über die verschiedenen Behandlungs- und Versorgungssettings (ambulant, stationär, Wohnen etc.) hinaus anbieten.

  • IV ermöglicht auch eine aufsuchende Behandlung zu Hause.
  • IV wird durch Selektivverträge (Einzelverträge) einiger Krankenkassen mit regionalen Anbietern von IV-Leistungen geregelt.
  • IV steht bisher nur den Menschen zur Verfügung, die bei Krankenkassen mit einem solchen Vertrag in der Angebotspalette versichert sind. Die Einschreibung des einzelnen Kassenmitglieds ist wiederum freiwillig und als zusätzliches Angebot zu verstehen.
Gesundheitsämter

Leistungen:

  • Beratungsangebote zu gesetzlichen Hilfen und entsprechenden regionalen Unterstützungsangeboten
  • Vermittlung an Spezialdienste, wie beispielsweise Sozialpsychiatrische Dienste
  • Erstellung von Gutachten nach dem Unterbringungs- und Betreuungsgesetz sowie für eine mögliche Eingliederungshilfe
  • Kriseninterventionen
Kontakt- und Beratungsstellensind in einzelnen Bundesländern vielfältig verbreitet und können auch als pauschal finanzierte Tagesstätten vorgehalten werden.
Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung nach § 32 SGB IX

zielt auf die Stärkung der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung und von Behinderung bedrohter Menschen.

  • Das niedrigschwellige Angebot erfolgt unabhängig von Leistungsträgern und -erbringern und kann bereits vor der Beantragung konkreter Leistungen erfolgen.
  • Absatz 3 des Paragrafen macht auf die besondere Berücksichtigung einer ergänzenden Beratung durch (ehemals) Betroffene für Betroffene aufmerksam (► Peer-Arbeit).
Ambulant betreutes Wohnen

stellt die vorherrschende betreuende Wohnform für Menschen mit psychischer Erkrankung dar und kann in der Umsetzung in den einzelnen Bundesländern variieren.

Die Menschen wohnen dabei entweder allein oder in Gemeinschaft in der eigenen Wohnung oder als Mieter in der Wohnung eines Leistungsanbieters und erhalten von diesem Unterstützungsleistungen (► Unterstütztes Wohnen).

Wegweiser durch das (teil-)stationäre Behandlungssystem

Stationäre Krankenhaus-behandlung
  • ist erforderlich wenn die Weiterbehandlung mit den Möglichkeiten aus der ambulanten Versorgung nicht mehr ausreichen.
  • Eine Einweisung erfolgt durch den niedergelassenen Arzt oder den Notarzt; die Entscheidung über eine vollstationäre Behandlung trifft letztlich der behandelnde Krankenhausarzt.
  • Möglichkeit aller diagnostischen und therapeutischen Leistungen, die durch ein multiprofessionelles Team erbracht werden
Teilstationäre Krankenhaus-behandlung
  • in psychiatrischer Tagesklinik ermöglicht umfassende, multidisziplinäre Behandlungsansätze (vergleichbar mit denen einer vollstationären Behandlung) bei Erhalt bestehender Sozialkontakte im gewohnten Lebensumfeld des Patienten
  • Behandlung ganztägig von Montag bis Freitag ohne Übernachtung
Rehabilitations-einrichtungen für psychisch kranke Menschen (RPK)

sind kleine gemeindenahe Einrichtungen mit engen regionalen Vernetzungsstrukturen und multiprofessionellem Team. 

Leistungen

  • ärztliche/psychotherapeutische Behandlung, ggf. einschließlich medikamentöse Therapie
  • Psychoedukation
  • Ergotherapie, Arbeitstherapie und Belastungserprobung
  • psychiatrische Krankenpflege
  • Physiotherapie, Bewegungs- und Sporttherapie
  • psychosoziale Beratung und Hilfen
  • Leistungen zur Abklärung der beruflichen Eignung und Arbeitserprobung
  • Trainings- und Berufsvorbereitungsmaßnahmen
Nachtkliniken
  • bilden für Menschen, die z.B. aufgrund von Ängsten nicht zuhause übernachten können eine Möglichkeit, vorübergehend therapeutisch intensiven Schutz sowie eine Übernachtungsmöglichkeit zu erhalten.
  • Patienten können tagsüber einer Beschäftigung nachgehen und abends in die Klinik zurückkehren. 
  • Indikation kann die Abklärung, Veränderung oder Stabilisierung der Lebenssituation oder die Integration nach akuter Erkrankungsphase sein.
Alternative Rückzugsorte
  • ermöglichen Menschen mit psychischen Erkrankungen in Krisen eine Möglichkeit des Rückzugs und der Unterstützung fernab der regulären stationären oder teilstationären Behandlungsmöglichkeiten.
  • Beispiele: Krisenpensionen, Krisenhäuser, Soteria-Einrichtungen oder auch Gastfamilien
  • Angebote in Deutschland bisher nicht flächendeckend angesiedelt

Es ist ratsam, sich vor Ort über jeweilige Angebote mit ihren Vorzügen und Nachteilen zu informieren. Wenden Sie sich an Ihre Ärztinnen und Ärzte bzw. andere Ansprechpersonen.

Adressen und weiterführende Links


© Universität Leipzig. Medizinische Fakultät Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP)